Naturschutzgebiet Schlichemtal

Land(wirt)schaft
im Wandel

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Landschaftsbild und Artenvielfalt erhalten

Wie die Postkarte von ca. 1900 mit den Wacholderheiden oberhalb der Schlichem zeigt, waren die nach Süden ausgerichteten Hänge damals praktisch waldfrei.

Postkarte
1900: Waldfreie Hänge im Schlichemtal.

Landschaftspflege mit Schafen und Ziegen

Über viele Generationen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren Schafe und Ziegen ein vertrautes Bild im Schlichemtal. Die historische „Oberamtsbeschreibung“ von 1868 erwähnt für Epfendorf:

„Schafzucht treiben drei Bürger und ein Ortsschäfer, welche den Sommer über 6–700, im Winter 350 Stück Raubastardschafe auf der Markung laufen lassen.“

Mit dem Rückgang der Viehhaltung eroberte der Wald die Hänge. Sie dunkelten aus und viele Pflanzen- und Tierarten der offenen Landschaft wurden verdrängt.

Um das Landschaftsbild und den Artenreichtum zu erhalten, müssen vorrückende Gehölze entfernt und offene Bereiche geschaffen werden. Weil Bäume und Sträucher schnell nachtreiben, müssen die Flächen regelmäßig bewirtschaftet werden. Wie in früheren Zeiten setzt man dazu auch heute Schafe und Ziegen ein. Gerade Ziegen sind besonders wirkungsvolle Landschaftspfleger in bereits stark verbuschten Bereichen, da sie mit Vorliebe an Gehölzen knabbern.

Nutzungsaufgabe
Mit dem Verschwinden der Schafherden wuchsen die Hänge schnell zu.

Bedeutung der Landwirtschaft

Die Qualität der Lebensräume für Tiere und Pflanzen ist eng mit der Landwirtschaft verbunden. Die Entstehung unserer Kulturlandschaft in ihrer ganzen Vielfalt verdanken wir maßgeblich der landwirtschaftlichen Nutzung, die über Jahrtausende hinweg einen Arten- und Biotop-Reichtum geschaffen hat, der weit über das hinaus geht, was in der völlig unbeeinflussten Naturlandschaft vorhanden wäre.

Wildbiene

Die Artenvielfalt erreichte um 1850 in der vom Menschen gestalteten kleinstrukturierten Landschaft ihren Höhepunkt. Industrialisierung und technischer Fortschritt führten seit Ende des 19. Jhd. zur Aufgabe vieler traditioneller Bewirtschaftungsformen und dadurch zu tiefgreifenden Veränderungen der über Jahrhunderte entstandenen Kulturlandschaft. So wurde im Zuge der Technisierung und der immer effizienter wirtschaftenden Landwirtschaft die kleinteilige Nutzung zugunsten großflächiger, intensiv bewirtschafteter Parzellen aufgegeben.

Während vor hundert Jahren ein Landwirt Lebensmittel für durchschnittlich vier Personen erzeugen konnte, waren es laut Umweltbundesamt 1950 „bereits zehn Menschen und 2016 sogar 135 Personen, die von den Erträgen versorgt werden konnten [10].

Möglich wurde diese Steigerung vor allem durch den Einsatz von Maschinen, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln (= Pestiziden und Herbiziden), nicht ohne Folgen für Biodiversität und Artenvielfalt.

Folgen für Biodiversität und Artenvielfalt

Hecken und Streuobstwiesen – wichtige Lebensräume z. B. für Vögel und Insekten – mussten vielerorts großen Ackerschlägen weichen. Kräuterreiche Blumenwiesen (mit 30-45 Pflanzenarten/25m²) wurden – um den Ansprüchen der heutigen Milchviehwirtschaft gerecht zu werden – zu intensiv genutzten, in manchen Lagen bis zu sechsmal pro Jahr gemähten, grasreichen Wirtschaftswiesen (mit 10-15 Pflanzenarten/25m²). Während sich die Hochfläche heute als weitgehend ausgeräumte, aber effizient zu bewirtschaftende Agrarlandschaft darstellt, ist im engen Schlichemtal eine kleinteilige, reich strukturierte Kulturlandschaft erhalten geblieben. Die steilen Hänge werden teilweise im Auftrag der Naturschutzverwaltung offen gehalten.